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2024-01-25 15:03
Von Fall zu Fall
Der Weg zur Selbstbestimmung
“In ein tiefes Loch fallen” - Dieses geflügelte Wort kennen wir alle als Sinnbild für ein krisenhaftes Erleben. Es gibt ein Gleichnis, das dieses Sinnbild nutzt, um den engen Zusammenhang von Krise und persönlicher Entwicklung hin zur Selbstbestimmung zu verdeutlichen:
1. Das Zitat
„1. Ich gehe die Straße entlang. Da ist ein tiefes Loch im Gehsteig. Ich falle hinein. Ich bin verloren … Ich bin ohne Hoffnung. Es ist nicht meine Schuld. Es dauert endlos, wieder herauszukommen.
2. Ich gehe dieselbe Straße entlang. Da ist ein tiefes Loch im Gehsteig. Ich tue so, als sähe ich es nicht. Ich falle wieder hinein. Ich kann nicht glauben, schon wieder am gleichen Ort zu sein. Aber es ist nicht meine Schuld. Immer noch dauert es sehr lange, herauszukommen.
3. Ich gehe dieselbe Straße entlang. Da ist ein tiefes Loch im Gehsteig. Ich sehe es. Ich falle immer noch hinein … aus Gewohnheit. Meine Augen sind offen. Ich weiß, wo ich bin. Es ist meine eigene Schuld. Ich komme sofort heraus.
4. Ich gehe dieselbe Straße entlang. Da ist ein tiefes Loch im Gehsteig. Ich gehe darum herum.
5. Ich gehe eine andere Straße."
(Aus: Sogyal Rinpoche - Das tibetische Buch vom Leben und Sterben)
2. Eine mögliche Deutung
Dieser Text bietet eine eindrucksvolle Metapher für Stufen der persönlichen Entwicklung und des Lernens aus Fehlern. Und sie lädt dazu ein, bisherige Wege zu würdigen und gleichzeitig neue Pfade zu erkunden.
Welche Gedanken und Gefühle tauchen bei Ihnen auf, wenn Sie diese Zeilen lesen?
Für mich ergeben sich folgende Ideen:
- Zunächst sind wir oft blind für die Fallstricke auf unserem Weg. Wir fallen in "Löcher", ohne es zu merken, und fühlen uns verloren und hilflos. In dieser Phase neigen wir dazu, die Schuld für unsere Probleme bei anderen zu suchen.
- Wenn wir denselben Fehler wiederholen, beginnen wir zu erkennen, dass es vielleicht Muster in unserem Denken, Fühlen und Verhalten gibt, die zu diesen Fallgruben führen. Doch immer noch geben wir - im Modus der Fremdreferenzialität - anderen die Schuld und sehen uns selbst als Opfer der Umstände.
- Der Wendepunkt tritt ein, wenn wir erkennen, dass wir trotz des Wissens um die ungewollten Auswirkungen immer noch in die „Falle“ tappen. Dies ist der Moment der Selbsterkenntnis und der Akzeptanz der eigenen Verantwortung (Shift zur Selbstreferenzialität). Wir erkennen, dass, obwohl das "Loch" immer noch da ist, unsere Reaktion darauf in unserer Macht liegt.
- Schließlich lernen wir, den Untiefen auszuweichen und sie zu umgehen. Dies symbolisiert ein neues Level an Weisheit und das Erlernen von Denk- und Verhaltensweisen, die uns vor weiteren Fehlern der gewohnten Art bewahren. Es ist die Phase, in der wir bewusst Entscheidungen treffen, die uns helfen, zieldienlich vom bekannten Weg abzukommen.
3. Reflexionsimpulse
- Eigene Verantwortung erkennen: Überlegen Sie, in welchen Bereichen Ihres Lebens Sie immer wieder in metaphorische "Löcher" fallen. Wie haben Sie bisher darauf reagiert? Erkennen Sie Parallelen zu einer der fünf Stufen in diesem Gleichnis? Wie können Sie anfangen, mehr Verantwortung für Ihre Handlungen und deren Folgen zu übernehmen?
- Muster und Gewohnheiten hinterfragen: Dieses Gleichnis betont die Bedeutung von Gewohnheiten und Mustern in unserem Leben. Reflektieren Sie über Ihre eigenen Gewohnheiten: Gibt es welche, die Sie wiederholt in Schwierigkeiten bringen? Was könnten Sie tun, um diese Muster zu erkennen und zu durchbrechen, bevor sie zu Problemen führen?
- Veränderung und Wachstum: Überlegen Sie, wie Sie aktiv andere Wege in Ihrem Leben einschlagen können? Was bedeutet es für Sie, eine "andere Straße" zu gehen? Wie können Sie sicherstellen, dass Sie nicht nur Problemen ausweichen, sondern aktiv nach neuen, positiveren Wegen suchen?